Zitieren in wissenschaftlichen Arbeiten 101: Vom Literaturchaos zum sauberen Literaturverzeichnis
- Dr. Miriam Pahl
- Nov 9, 2023
- 5 min read
Updated: Aug 15, 2024
In der deutschen Politik waren in den letzten Jahren immer wieder Personen wegen Plagiats in den Nachrichten. Karl-Theodor zu Guttenberg ist 2011 von allen politischen Ämtern zurückgetreten, nachdem die Universität Bayreuth ihm den Doktorgrad aberkannt hatte - wegen Plagiaten in seiner Doktorarbeit. Zuvor war er der beliebteste Politiker Deutschlands und wurde sogar als nächster Bundeskanzler gehandelt. Auch Franziska Giffey wurde nach eingehender Prüfung ihrer Doktorarbeit der Titel entzogen. Das sind also die abschreckenden Beispiele: Es kann dich im schlimmsten Fall die Karriere kosten, wenn Du Text oder Gedanken von anderen ohne korrekte Quellenangabe verwendest.
Die korrekte und lückenlose Angabe von Quellen ist bereits bei den kleinen Geschwistern der Doktorarbeit - der Bachelor- und Masterarbeit sowie bei Hausarbeiten - wichtig und nicht zu vernachlässigen.
Gar keine Literatur zu verwenden ist natürlich keine Alternative, deswegen findest Du hier wichtige Tipps zum richtigen Zitieren in wissenschaftlichen Arbeiten.

Wieso zitieren wir eigentlich in wissenschaftlichen Arbeiten?
In wissenschaftlichen Arbeiten jeder Art, also angefangen bei Hausarbeiten bis hin zur Habilitation, arbeiten wir mit Gedankengut und Ergebnissen anderer Wissenschaftler*innen. In unseren Thesen übernehmen wir die Definitionen anderer, wir widerlegen vielleicht Ergebnisse, wir knüpfen an an die Argumentation oder untersuchen einen Aspekt einer anderen Studie, der bisher nicht berücksichtigt wurde. So funktioniert Wissenschaft: Wir bauen auf bestehendes Wissen auf.
Allerdings: Diese „anderen“ müssen wir erwähnen. Es ist die feine wissenschaftliche Art, die Arbeit anderer Forscher*innen anzuerkennen. Im Wissenschaftsbetrieb gilt nicht nur „publish or perish“; neben Veröffentlichungen sind Zitationen (also, zitiert zu werden) die harte Währung der Wissenschaft, in der sich zeigt, ob die eigene Forschung relevant ist. Wenn Veröffentlichungen der Jahresumsatz sind, dann sind Zitationen der Gewinn im Ich-Unternehmen Forschung.
Durch die Verweise und Verlinkungen von Texten entsteht ein riesiges, komplexes System, in dem jede wissenschaftliche Arbeit mit anderen Texten zusammenhängt. Deine Abschlussarbeit füllt nicht nur eine Forschungslücke; sie bildet auch neue Verknüpfungen zwischen Texten, die bisher nicht verbunden waren, und integriert sich so in das System von wissenschaftlichen Arbeiten.
In der Wissenschaft gilt also die Vereinbarung, dass man dieses System von Verknüpfungen weiterstrickt, um dazuzugehören. Wenn ein*e Autor*in Quellen nicht angibt, dann ist das erstens Plagiat, also die unrechtmäßige Aneignung von fremdem Gedankengut, und zweitens kann dann dieser neue Text nicht als wissenschaftlich anerkannt werden.
Wie oben bereits beschrieben, im schlimmsten Fall kann das Plagiat die Karriere und die Zukunft kosten, im "besten" Fall wird die Prüfungsleistung einfach nicht anerkannt - aber auch das ist ärgerlich, und vermeidbar.
Zitationssoftware: Literaturverwaltung leicht gemacht
Jetzt wo klar ist, warum das saubere Zitieren so einen Stellenwert hat, möchte ich direkt auf eine große Hilfe dabei hinweisen: Installiere dir eine Zitationssoftware und beschäftige dich frühzeitig damit, wie du damit umgehst. Mit dem entsprechenden Plugin im Browser kannst Du während deiner Recherchen mit einem Klick die Daten einer Publikation in deinen Account laden. Du kannst auch Notizen oder eine Zusammenfassung des Textes hinterlegen. Beim Schreiben wiederum kannst du mit der Software in Word sowohl Kurzbelege im Text einfügen, sowie ein Literaturverzeichnis mit allen verwendeten Quellen erstellen lassen.
Klick klick klick, einmal kontrollieren, fertig.
Die Alternative ist mühsames Beisammenhalten von Texten, den Notizen zu den Texten, Zitaten all over the place und noch mühsameres Zitieren und Gegenchecken, welche Quellen man denn nun verwendet hat. Wo habe ich das nochmal gelesen? Habe ich Schmidt-Meier eigentlich zitiert? I would never go there again.
An vielen Hochschulen gibt es Campus-Lizenzen für Citavi, eine Zitationssoftware, die Du über die Bibliothek kostenlos herunterladen kannst. Eine freeware-Alternative ist Zotero, welches ich seit über 10 Jahren nutze und Dir wärmstens empfehlen kann. Wenn Du Citavi über die Hochschule nutzt, kann es sein, dass du die Lizenz mit deiner Hochschulzugehörigkeit nach dem Abschluss verlierst. Je nachdem, was Du noch vorhast im Leben bzw. in der Wissenschaft, solltest Du das vielleicht bedenken.
Ich befürworte in vielen Fällen das "learning by doing", aber im Fall von Literaturverwaltungsprogrammen empfehle ich: Nimm dir einmal zu Beginn deiner Recherche zwei Stunden Zeit, um dein Programm zu installieren, es zu verstehen, es mit ein paar Quellen zu befüllen und diese wiederum in einem Dokument als Kurzbeleg und als Literaturverzeichnis einzufügen. Es gibt gute Online-Tutorials, die du für so einen Testrun zu Hilfe nehmen kannst.
Der richtige Zitierstil
APA, MLA, Harvard, die deutsche Zitierweise - Es gibt verwirrend viele Zitierstile, die alle das gleiche wollen: Quellen angeben in wissenschaftlichen Arbeiten. Es ist trotzdem nicht ganz egal, für welchen Zitierstil du dich entscheidest. Ausschlaggebend dafür sind diese Punkte:
Welcher Zitierstil wird in deiner Fachrichtung vorrangig verwendet?
Welche Zitierweise wird von deiner Hochschule empfohlen oder vorgegeben?
Welcher Zitierstil wird von deine*r Betreuer*in bevorzugt?
Im besten Fall ist die Antwort für alle drei Fragen gleich. Wenn nicht, solltest Du abwägen und gegebenenfalls deine Betreuungsperson um Rat fragen. Schau dir die entsprechenden Stile auch genau an. Das Wichtigste ist allerdings, dass du dich für eine Zitierweise entscheidest und diese konsequent anwendest.
Die Zitierweisen unterscheiden sich in der Angabe von Informationen im Kurzbeleg im Text sowie im Quellenverzeichnis am Ende. Dort ist die Anordnung der Details und teils die Formatierung unterschiedlich. Einige Zitierweisen - zum Beispiel der deutsche Zitierstil - arbeitet außerdem mit Fußnoten, anstatt Quellen im Text anzugeben. Die Fußnoten wiederum verweisen auf das Literaturverzeichnis am Ende des Textes. Zu jeder Zitierweise gibt es ein ausführliches Handbuch, dass online einzusehen ist. Es bietet sich an, hier nachzusehen, wenn Du aus einer eher unüblichen Quelle zitierst.
Mit einem Literaturverwaltungsprogramm ist es recht einfach, den Zitierstil deiner Arbeit zu verändern. Das kann relevant sein, wenn zum Beispiel deine Masterarbeit so gut ist, dass du sie in einem akademischen Journal veröffentlichen kannst (und dieses womöglich einen andere Zitierstil anfordert als du ursprünglich gewählt hast).
Ran an den Speck: Richtig zitieren während du schreibst
In deiner wissenschaftlichen Arbeit solltest Du in jeder Phase darauf achten, dass du Zitate als solche kenntlich machst. Das gilt für Direktzitate, also wörtlich übernommene Sätze oder Textpassagen, ebenso wie für indirekte Zitate, in denen Du etwas in eigenen Worten widergibst und paraphrasierst. In deinem finalen Text müssen natürlich sowieso alle Zitate kenntlich gemacht sein. Damit du auch vorher mit eigenen Argumenten und übernommenen Gedanken nicht durcheinander kommst, solltest Du dir angewöhnen, schon bei Stichpunktsammlungen und Rohentwürfen Zitate und Quellen immer als solche kenntlich zu machen.
Ein Direktzitat wird immer in "Anführungszeichen" gesetzt; und sobald es länger als circa 40 Wörter ist, wird es eingerückt in einem freistehenden Block formatiert. Achte aber darauf, Zitate so kurz wie möglich zu halten - es ist wichtig, dass dein Argument und deine Stimme nicht hinter Zitaten verschwindet. Das Zitat soll also für dich und deine Argumentation arbeiten; der Text bleibt deine Bühne.
Ein indirektes Zitat erkennt man an der Quellenangabe und es wird generell durch eine entsprechende Formulierung ausgewiesen. Auch indirekte Zitate sollen deine Argumentation weiterbringen: Positioniere dich zu dem, was du wiedergibst - wie hängt das Zitat mit deiner Arbeit und deiner Fragestellung zusammen? Zitate sollen immer in deinen Argumentationsfluss verwoben werden; erstelle also nicht eine Aneinanderreihung von Passagen anderer Autor*innen, sondern arbeite sie in deine Struktur ein, ordne sie dir und deiner Fragestellung unter.
Das saubere, lückenlose Zitieren ist ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitens, und es ist wichtig zu lernen respektvoll mit den Quellen anderer Wissenschaftler*innen umzugehen.
Fast geschafft: Das Literaturverzeichnis erstellen
Im Literaturverzeichnis werden am Ende deiner Arbeit alle Quellen aufgeführt, die du - entweder im direkten Zitat oder paraphrasiert - im Text verwendet hast.
Nicht mehr, nicht weniger.
Das heißt, jeder in deinem Verzeichnis aufgeführte Text muss auch in deiner Arbeit irgendwo auftauchen. Und das heißt auch, dass weitere Bücher oder Artikel die du gelesen hast, die aber nicht in deinem Text auftauchen, nicht in dein Verzeichnis gehören.
Du kannst aber "Grundlagenliteratur" gut angeben, wenn Du zum Beispiel eine Definition übernimmst oder ein Argument, das dem vorherrschenden Konsens entspricht und auch in einer dieser Quellen widergegeben wird. So kannst Du dein Literaturverzeichnis auf legitime Weise etwas "anreichern".
Schreib mir gerne, wenn Du Fragen zum wissenschaftlichen Zitieren hast - hier gebe ich nur einen kleinen Einblick und die meisten Fragen lassen sich im Gespräch besser klären. Beim wissenschaftlichen Lektorat prüfe ich deine Zitierweise, ebenso wie das Quellenverzeichnis. Wenn Du dazu Fragen hast, schreibe mir gerne eine Nachricht.
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