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Literatur clever nutzen: Tipps für deine Abschlussarbeit

  • Dr. Miriam Pahl
  • Feb 11
  • 7 min read

Das Fundament jeder wissenschaftlichen Arbeit ist die Forschung, auf die sie aufbaut. Auch Bachelor- und Masterarbeiten können nur mit einer soliden Literaturrecherche überzeugend sein. Deine Literatur hilft dir, dein Thema besser zu verstehen, es in der bestehenden Forschung einzuordnen, und durch die ausgewählten Texte deine Argumentation zu entwickeln und zu stützen. In diesem Artikel erkläre ich, wie du Forschungsliteratur für deine Abschlussarbeit sinnvoll auswählst und effizient für eine erfolgreiche Arbeit nutzt.



Wie fängst du am besten an? Welche Quellen sind wirklich relevant, und wie behältst du den Überblick? In diesem Artikel zeige ich dir die wichtigsten Schritte und gebe dir praktische Tipps, damit deine Literaturrecherche von Anfang an effizient und zielgerichtet ist.


Warum brauchst du überhaupt Literatur?

Bei meinen eigenen ersten Seminararbeiten habe ich wissenschaftliche Literatur nur sehr zögerlich verwendet. Ich habe wenig paraphrasiert und fast gar nicht zitiert, weil ich dachte, dass es falsch wäre, sich zu sehr auf bestehendes Wissen zu stützen. Ich dachte, ich müsste vor allem eigene Gedanken einbringen, anstatt mich auf andere zu verlassen. Aber genau so funktioniert Wissenschaft: Bestehendes Wissen wird aufgegriffen und durch neue Forschungsprojekte ergänzt. Es ist sogar eine wissenschaftliche Konvention, sich in einen wissenschaftlichen Diskurs einzubringen.

Ein wissenschaftcher Diskurs ist die Gesamtheit an Texten und Theorien, die zu einem Thema veröffentlicht wurden. Die einzelnen Texte stehen in Beziehung zueinander, sie verweisen aufeinander - manchmal explizit, aber auch oft implizit - und bilden so ein komplexes Netzwerk, das du zumindest zu einem gewissen Grad zu verstehen versuchen solltest. Jeder Text bezieht sich auf zuvor veröffentlichte Ideen und Theorien, und initiiert im besten Fall neue Texte, so dass das Wissen ergänzt und erweitert wird.

Und genau deswegen brauchst du Literatur für deine wissenschaftliche Abschlussarbeit: Du musst zeigen, dass du dein Feld kennst; dass du weißt, wie der aktuelle Wissensstand zu deinen Forschungsthemen ist, und dass du dich mit gängigen Argumenten und Theorien auseinandersetzen kannst.


Wie wählst du die richtige Literatur aus?

Die Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten (siehe unten) sind sich alle einig in punkto Literatur: Weniger ist mehr. Es gilt das Prinzip Qualität statt Quantität; du solltest also lieber weniger Quellen verwenden, die du gut kennst, anstatt viele Quellen, die du nicht vernünftig durchgearbeitet hast. Judith Wolfsberger empfiehlt in ihrem Schreibratgeber Frei geschrieben (2021)*, dass du eine Auswahl von zehn bis fünfzehn Büchern oder Artikeln als Basistexte identifizieren solltest. Um diese Bücher zu bestimmen, musst du womöglich 60 oder 100 Texte sichten und entscheiden, ob sie für deine Arbeit wirklich wichtig sind - aber für eine Bachelor- oder Masterarbeit musst du diese Anzahl an Texten nicht genau lesen (Wolfsberger S. 125). Wolfsberger empfiehlt weiter, bei der Auswahl von Büchern und Texten zwischen Basisliteratur, Nebentexten und Retourbüchern zu unterscheiden:


Basisliteratur: Die Basisliteratur sind die 10 - 15 wirklich wichtigen Texte für deine Arbeit. Diese solltest du immer bereit haben und genau lesen, denn mit diesen Texten wirst du viel Zeit verbringen. Sie sind wie beste Freundinnen für deine Arbeit; du konsultierst sie immer wieder, kennst sie gut und sie liefern dir "Material, Daten und Thesen" (126).


Nebentexte: Die Nebentexte enthalten Kapitel oder Textstellen, die wichtige Details für deine Arbeit liefern, aber du wirst ansonsten nicht sehr eng mit ihnen zusammenarbeiten. Sie sind eher die netten Bekannten, mit denen du dich hin und wieder austauschst, aber sie gehören nicht zur grundlegenden Basis. Bei diesen Texten ist es wichtig, eine gute Wissensorganisation zu haben, um relevante Textstellen wiederzufinden. Markiere also beim Lesen mit einem Post-It oder/und übertrage wichtige Zitate als Notiz in dein Literaturverwaltungsprogramm.


Retourbücher: Diese Bücher sind womöglich interessant, aber nicht relevant für deine Fragestellung und sollten deswegen aussortiert werden. Auch hier ist es wichtig, ein gutes Wissensmanagement zu haben, damit du diese Bücher nicht aus Versehen doch wieder in die Hand nimmst - um festzustellen, dass du die bereits aussortiert hast. Besonders bei langen Projekten kann das immer mal passieren. Es kann auch sein, dass das große Hauptwerk eines wichtigen Theoretikers in deinem Feld zu diesen Retourbüchern gehört, und du dich auf weniger bekannte Texte von dieser Person beziehst. Das ist legitim, denn es ist wichtig sich von irrelevanter Literatur abzugrenzen. Nur Mut!


Wie arbeitest du mit der Literatur?

Wenn du mit einem Literaturverwaltungsprogramm wie Zotero oder Citavi arbeitest, ist es wichtig, früh die Quellen in das Programm aufzunehmen. An deiner Stelle würde ich auch die Texte, die du als nicht relevant eingeordnet hast, aufnehmen und in einen dafür bestimmten Ordner schieben - so kannst du schnell nachvollziehen, dass du das Buch schon verworfen hattest, falls du später nochmal eine Schleife durch die Literaturrecherche drehst.


Ein System aufsetzen:

Je größer dein Forschungsprojekt ist, umso wichtiger ist es, dass du bei deiner Literatur nicht den Überblick verlierst. Deswegen solltest du dir im besten Fall am Anfang ein System überlegen mit dem du gut arbeiten kannst. Für eine Bachelorarbeit reicht womöglich eine Excelliste aus, in die du die Artikel und Bücher einträgst, mit denen du arbeitest. Ich empfehle gerne Zotero, da das ein kostenfreies Literaturverwaltungsprogramm ist, mit dem du auch nach deiner Studienzeit weiterarbeiten kannst. Schau dir auf Youtube ein paar Tutorials an, damit du die wichtigsten Funktionsweisen kennst und dir eine Ordnerstruktur überlegen kannst, mit der du für deine Arbeit gut arbeiten kannst.


Erlaube dir Langsamkeit:

"Höher schneller weiter" ist ein Grundsatz, der beim Lesen nicht funktioniert. Klar kannst - nein, musst Du Texte erstmal skimmen um zu prüfen, ob sie für deine Arbeit relevant sind. Aber um die Texte und Theorien gut kennenzulernen, musst Du dir Zeit zum Lesen nehmen. Wissenschaftliche Literatur präsentiert Wissen auf eine komprimierte Art und Weise, und darauf muss man sich beim Lesen einlassen. Während unser Alltag oft schnell und gehetzt ist, müssen wir uns beim Lesen davon abschirmen und zwei Gänge runterschalten, um einen Text in seiner Tiefe zu verstehen. Das ist vor allem wichtig, wenn Du Texte aus einem noch nicht so vertrauten Themenfeld liest und dir Wissen aneignen möchtest (vgl. Kruse S. 17).


Aktive Lesehaltung:

Eine aktive Lesehaltung hilft dir, deine Literatur gut kennenzulernen und die einzelnen Theorien und Studien in Bezug zu deinem Forschungsprojekt zu positionieren. Aber was heißt „aktive Lesehaltung“? Anstatt einfach nur zu lesen und zu schauen was sich mit einem Text ergibt, setzt du dich aktiv mit ihm auseinander. Bevor du es liest, legst du dir Fragen an ein Buch zurecht. Was möchtest du für deine Arbeit von einem Text wissen? Du solltest einerseits einen Überblick über ganz grundlegende Details zu dem Text bekommen: Wer hat ihn geschrieben, wann, in welcher Disziplin, auf welche anderen Theorien bezieht er sich? Darüber hinaus solltest du die Inhalte mit deiner Forschungsfrage in Verbindung setzen: Was wird in Bezug auf deine Forschungsabsichten beantwortet - und was nicht?


Exzerpte schreiben:

Damit Gelesenes in Gedächtnis haften bleibt, ist es am besten daraus eigene Texte entstehen zu lassen. Exzerpte sind so etwas wie "Leseprotokolle" (Kruse), in denen man die (für sich) wichtigsten Informationen aus einem Text festhält. Das sind zum Beispiel eine Zusammenfassung der Inhalte, die Autor*innen, ggf. weitere bibliografische Informationen wie Erscheinungsjahr, Verlag, etc.. Sinnvoll sind auch Notizen zu den Kernaussagen und wichtigsten Theorien, die der Text behandelt. Darüber hinaus solltest du deine Gedanken zu dem Text notieren, z. B. wie er in Beziehung zu deiner Forschungsfrage steht. Mach also unbedingt Notizen zu den Fragen und Antworten, die mit diesem Buch in Verbindung stehen. Mit diesen Exzerpten wirst im Lauf deiner Arbeit immer wieder arbeiten; stelle deswegen sicher, dass du von Anfang an ein gutes „Wissensmanagement“ hast.


Und wie viele Quellen brauchst Du?

Früher oder später stellt sich vielen Studierenden die Frage, wie viele Quellen es denn für eine gute Bachelor- oder Masterarbeit sein sollen. Es kursiert dazu eine Daumenregel, die nicht für bare Münze genommen werden sollte: Angeblich sollen es doppelt so viele Quellen wie Seiten sein. Je länger eine Arbeit ist, desto unrealistischer - und unsinniger - ist das meines Erachtens. Viel wichtiger als die Zahl der verwendeten Quellen ist deren Qualität und wie mit ihnen gearbeitet wurde. Eine große Anzahl von Quellen, die aber nur unkommentiert aneinander gereiht werden, gewinnt bei Gutachter:innen nur wenig Respekt.


Für die Qualität der verwendeten Literatur ist es wichtig, dass du mit aktueller, themenspezifischer Literatur zu deiner Forschungsfrage arbeitest. Gib dich also nicht mit den Texten oder Lehrbüchern aus der Leseliste deines Seminars zufrieden, sondern begebe dich selbst auf die Suche nach relevanter Literatur.

Wissenschaftliche Artikel sind oft themenspezifischer und teilweise aktueller als Fachbücher. Fachbücher wiederum sind besonders ergiebig und beleuchten ihr Thema aus vielfältigen Perspektiven. In den meisten Fällen ist deswegen eine ausgewogene Mischung aus Artikeln und Fachbüchern ein guter Weg.



Die wichtigsten Grundregeln für die Arbeit mit Literatur

  • Achte darauf, nur zitierfähige und zitierwürdige Quellen zu verwenden.

  • Zitierfähig: Die Quelle wurde veröffentlicht, ist identifizierbar und öffentlich zugänglich, sodass sie nachvollziehbar und überprüfbar ist.

  • Zitierwürdig: eine Quelle ist wissenschaftlich relevant, aktuell, objektiv sowie peer-reviewt oder lektoriert und entspricht den Anforderungen an fachliche Qualität.

  • Beziehe dich hauptsächlich auf wissenschaftliche Artikel und Fachbücher sowie Dissertationen.

  • Direkte und indirekte Zitate korrekt kennzeichnen: Direkte Zitate müssen wortgetreu und in Anführungszeichen sein (ab 40 Wörtern einrücken), indirekte Zitate nicht wortgetreu, sondern sinngemäß und je nach Zitierstil mit „vgl.“ anzeigen.

  • Du darfst nur Quellen im Literaturverzeichnis aufführen, die du im Text direkt oder indirekt zitierst - Quellen, die du verworfen hast gehören nicht in dein Literaturverzeichnis.

  • Prüfe dein Literaturverzeichnis am Ende auf doppelt aufgeführte Quellen! Besonders, wenn du Texte aus dem Explorer in ein Litersturverwaltungsprogramm importierst, kann es vorkommen, dass du Texte aus Versehen doppelt aufnimmst

  • Ob eine Abschlussarbeit gut oder schlecht bewertet wird, hängt nicht von der Menge der Quellen ab, sondern davon, wie mit ihnen gearbeitet wird.



Meine Buchempfehlungen, auf die ich mich hier beziehe und wo du weiterlesen kannst:


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