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Gendern heißt Verändern: Praxis-Tipps für gendergerechte Sprache

  • mpahl2
  • Oct 26, 2023
  • 3 min read

Updated: Nov 1, 2023

Drei Empfehlungen für gendergerechte Sprache in deinen wissenschaftlichen Arbeiten


Gendergerechte Sprache, an diesem Thema scheitern nette Abende im Kreise der Familie, die Debatten in der Politik pendeln zwischen Irrsinn und Entertainment hin und her; es ist von Empfehlungen und Verboten die Rede. Bei all dem Durcheinander in der Theorie weiß man auch in der Praxis nicht mehr, wie man sprechen soll und wichtiger: wie man schreiben darf. Ist das generische Maskulinum noch okay? Welche Gender-Schreibweise ist die Beste?


Ich habe mich in den letzten Monaten ausgiebig mit gendergerechter Sprache beschäftigt und leite daraus die folgenden praxisorientierten Empfehlungen ab.


Schreibtisch Setup mit Bildschirm, Tastatur und Schreibutensilien

1. Verwendung von gendergerechter Sprache: Es ist deine Entscheidung

Die Sprache gehört dem Volk, so entschied das Bundesverfassungsgericht 1998 mit Bezug auf eine Beschwerde gegen die Rechtschreibreform, die 1997 eingeführt wurde. Weiterhin hieß es dort, dass das Gericht der Überzeugung sei, dass Sprache durch die „Bürgerinnen und Bürger … ständig und behutsam, organisch und schließlich durch gemeinsame Übereinkunft“ weiterentwickelt würde. Das bedeutet, dass wir alle an dieser Entwicklung mitwirken können - und müssen, damit in diesem Bereich der Sprache überhaupt etwas passiert. Wenn wir das Feld denen überlassen, die gegen gendergerechte und inklusive Sprache sind, aus welchen Gründen auch immer, dann wird sich nichts verändern.

Ich würde also sagen, es ist nicht nur unsere Entscheidung, sondern unsere Verantwortung, die Veränderung der Sprache voranzutreiben – ständig und behutsam.

Um die Einheitlichkeit der Schriftsprache zu sichern, kann der Staat im öffentlichen Bereich Vorgaben machen. Das amtliche Regelwerk der festgelegten deutschen Rechtschreibung hat Gender-Schreibweisen bisher nicht anerkannt. Dieses Regelwerk ist verbindlich für beispielsweise die öffentliche Verwaltung und Schulen, deswegen kann dort auf die geltende Rechtschreibung gepocht werden.

In den Hochschulen und Universitäten allerdings gilt die Wissenschaftsfreiheit. Durch die Freiheit der Forschung und der Lehre kann die Regierung einer Professorin oder einem Dozenten das Gendern nicht verbieten oder vorschreiben.


2. Ständig und behutsam die Sprache verändern

Wichtig in der Verwendung von gendergerechter Schreibweise ist, dass Du dich für eine Version der Sparschreibungen (also bspw. Gendersternchen oder Doppelpunkt) entscheidest und (vor allem innerhalb eines Textes oder Projektes) konsequent dabeibleibst. Du solltest also nicht zwischen unterschiedlichen Sparschreibungen springen und mal von Minister*innen und dann von Sachbearbeiter:innen schreiben.

Außerdem würde ich die folgende Empfehlung noch vorschalten: Bevor du eine Sparschreibung verwendest, prüfe, ob Du auch durch Doppelnennung, Partizipien oder genderneutrale Formulierungen diese Sparschreibung „verhindern“ kannst.

Dafür gibt es mehrere Gründe:


Erstens: Sparschreibungen sind vor allem im Plural sinnvoll, denn im Singular ist die grammatikalische Angleichung oft schwierig und tatsächlich, wie es von Kritiker:innen oft ins Feld gebracht wird, stören diese den Lesefluss.


Zweitens: Sparschreibungen sind bisher nicht barrierefrei. Die Idee von gendergerechter Sprache ist es, möglichst inklusiv zu sein, aber Sparschreibungen sind problematisch für sehbehinderte Personen, Deutschlernende und Personen mit kognitiven Einschränkungen. So lange es keine einheitlich anerkannte Variante gibt, können auch Personen, die vorlesen, oder die Hersteller von Vorleseprogrammen sich nicht darauf einstellen und allgemeingültige Lösungen dafür finden.

Und drittens: Wenn wir Kritiker:innen nicht überfordern, nehmen wir sie vielleicht ein Stück weit mit in diese Richtung. Beziehungsweise andersherum, wenn unsere Texte voll sind mit mehr oder weniger schwer lesbaren Sonderzeichen, bieten wir um so mehr Angriffsfläche. Wie das Bundesverfassungsgericht schon sagte: Die Sprache wird behutsam verändert.


3. Bitte nicht verbiegen!

Aus diesem letzten Grund leitet sich auch meine letzte Empfehlung ab: Verbiegt die Sprache nicht zu sehr in eurer Suche nach geschlechtergerechten Personenbezeichnungen. Wenn ein Wort euch komisch vorkommt, dann ist es umso wahrscheinlicher, dass es auch bei deiner Leserin Unbehagen hervorruft. Wir wollen nicht zu sehr anecken; ein bisschen wachrütteln hier und da, aber nicht so sehr vor den Kopf stoßen, dass unser Text ganz weggelegt wird. Gendergerechte Personenbezeichnungen sollen mit Bedacht gewählt werden, anstatt im Rundumschlag immer die gleiche Regel anzuwenden, die zwangsläufig auch mal unpassend wäre.



Sprache kann kreativ und kontextbezogen verwendet werden; je nach Textart und Publikum bzw. Leserschaft kann und sollte gendergerechte Sprache konsequent, aber behutsam eingesetzt werden. Es ist deine Entscheidung und deine Verantwortung, alle Geschlechtsidentitäten mit einzubeziehen.



 
 
 

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