Zu teuer, illegal, das kann auch KI: Vorurteile zum wissenschaftlichen Lektorat
- Dr. Miriam Pahl
- 12. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Okt.
Zu teuer, illegal, kann ich auch mit KI machen - das sind gängige Vorurteile zum wissenschaftlichen Lektorat. In der Abschlussphase des Studiums - also während dem Schreiben der Bachelorarbeit oder Masterarbeit - sind die meisten Studierenden fast ganz auf sich allein gestellt sind. Nur wenige Studierende nehmen ein wissenschaftliches Lektorat in Anspruch, obwohl ihnen das vor der Abgabe noch viel Sicherheit geben - und die Note deutlich verbessern! - könnte. Wissenschaftliche Lektor*innen bringen ihre akademische Expertise in deinen Text ein und finden Fehler - inhaltlich sowie orthografisch - bevor sie den Gutachtenden unter die Nase kommen.

Es gibt falsche Vorstellungen über das wissenschaftliche Lektorat, die Studierende davon abhalten, ein Lektorat mit gutem Gewissen in Anspruch zu nehmen. Da ein Lektorat aber immer zu einer Verbesserung einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit führt - und die Studierenden auch noch etwas für ihr zukünftiges berufliches oder wissenschaftliches Schreiben mitnehmen können - möchte ich hier mit den wichtigsten Missverständnissen aufräumen. Lies weiter, wenn Du unsicher bist, ob ein Lektorat das richtige für deine Arbeit ist.
Vorurteil 1: Ein wissenschaftliches Lektorat ist zu teuer.
Ja, ein professionelles Lektorat hat einen hohen Preis. Viele denken, dass ihr Budget als Studierende das nicht hergibt oder dass der Preis nicht gerechtfertigt ist. Vielleicht liegt das daran, dass ein professionelles erstmal unterschätzt wird - siehe Vorurteil 3. Wenn man noch nie mit eine*r Lektor*in zusammengearbeitet hat, denkt man vielleicht, dass im Lektorat vor allem ein paar Kommata hier und da gesetzt werden, Tippfehler korrigiert werden und vielleicht auf Bandwurm- und Schachtelsätze hingewiesen wird. Was man dabei aber bedenken muss:
Was fließt alles in das Lektorat ein? Die Expertise der Lektorin im wissenschaftlichen Arbeiten, die ein Abgleichen deiner Arbeit mit den Konventionen wissenschaftlicher Texte ermöglicht; ihre feinfühlige Sprachkenntnis, mit der sie aus holprigen Textstellen gut lesbare Sätze macht, Zeit und Konzentration, die aufgewendet werden, um deinen Text aufzupolieren. Ich lese einen Lektoratstext in mehreren Durchgängen, in denen ich jeweils auf unterschiedliche Aspekte achte - Inhalt und Struktur, Stil und Ausdruck, Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion. Ich poliere mit voller Konzentration den Text auf Hochglanz.
Was bekommst du? Ich habe bisher keine Abschlussarbeit überarbeitet, die nicht maßgeblich von dem Lektorat profitiert hat. Oft ziehe ich regelrecht die Kuh vom Eis, indem ich massive Schnitzer ausbügele - eine Forschungsfrage, die nur im Kopf des Studis klar ausformuliert ist, Argumente, die widersprüchlich und chaotisch durcheinanderpurzeln, durchgängig fehlerhafte Zitationen. Oh oh.
Ein Lektorat ist kein Rundum-Sorglos-Paket, denn du steckst auch noch Arbeit hinein, wenn du deinen lektorierten Text zurück bekommst. In diesem Durchlauf, in dem du die Verbesserungen und Vorschläge der Lektorin einarbeitest, lernst du unheimlich viel für dein weiteres wissenschaftliches oder berufliches Schreiben. Du bemerkst, welche Fehler sich bei dir wiederholen, wie du Sätze klarer strukturieren kannst, und wie deine Argumentation insgesamt noch überzeugender wirken kann.
Du kannst dir mit einem Lektorat sicher sein, dass jemand mit Erfahrung und akademischer Expertise deine Arbeit auf Herz und Nieren geprüft hat. Diese Punkte erklären den hohen Preis. Bedenke außerdem: Der Preis tut nur einmal weh - eine Note, mit der du nicht zufrieden bist, schmerzt wahrscheinlich immer wieder.
Vorurteil 2: Ein wissenschaftliches Lektorat ist schummeln.
Vielleicht ist folgendes nicht jedem ganz klar: Annähernd jeder professionell veröffentlichte Text wird in mehreren Durchgängen lektoriert. Verlage arbeiten mit Lektor*innen zusammen, und Fachzeitschriften verlangen häufig, dass ein Manuskript vor der Veröffentlichung als Fachartikel professionell überarbeitet wird. Das heißt, die Texte, die du für deine Abschlussarbeit liest, fließen auch nicht in einem Guss aus den Wissenschaftler*innen, sondern sind das Ergebnis von Feedbackschleifen und mehreren Überarbeitungen. Wieso sollte es also schummeln sein, wenn Studierende, die sich das wissenschaftliche Schreiben erst noch aneignen sollen, ein Lektorat verwenden, während das für etablierte Wissenschaftler*innen völlig selbstverständlich ist?
Ein professionelles Lektorat ist also vollkommen legal, solange keine Inhalte (um-) geschrieben oder Forschungsergebnisse verfälscht werden. Und dieser Punkt ist essentiell: Seriöse Lektor*innen schreiben keine Inhalte. Das wäre Ghostwriting und illegal. Eine Abschlussarbeit soll eine wissenschaftliche Eigenleistung sein, und deswegen haben Studierende und Lektor*innen ihre jeweiligen Tanzbereiche: Die Studierenden liefern die Inhalte, im Lektorat werden sie in eine vernünftige Form gebracht. Die Inhalte müssen aus der Feder des Studierenden sein. Wenn mir als Lektorin inhaltliche Unstimmigkeiten auffallen, dann weise ich in einem Kommentar darauf hin - aber ich schreibe keine Textteile. Da ziehe ich eine klare Grenze, damit der Text dein geistiges Eigentum bleibt.
Vorurteil 3: Im Lektorat werden nur Rechtschreibfehler und Grammatik korrigiert.
Diesen Irrglauben höre ich besonders oft: Ein Lektorat sei im Grunde nur das Ausmerzen von Tippfehlern, Rechtschreib- oder Grammatikfehlern. Streng genommen ist das aber die Aufgabe eines Korrektorats. Ein wissenschaftliches Lektorat geht deutlich weiter. Es prüft nicht nur die sprachliche Richtigkeit, sondern auch den Stil: Ist der Text sachlich, präzise und der wissenschaftlichen Ausdrucksweise angepasst? Wir schauen darauf, ob sich Wiederholungen vermeiden lassen, ob die Argumentation klar und verständlich formuliert ist und ob der Lesefluss stimmig wirkt.
Darüber hinaus berücksichtige ich immer auch die formalen Vorgaben der jeweiligen Hochschule. Deshalb lasse ich mir vorab die Richtlinien für das Zitieren und die Formatierung geben, um gezielt auf Nachlässigkeiten hinweisen zu können. So stellst du sicher, dass deine Arbeit nicht nur sprachlich korrekt, sondern auch formal stimmig und wissenschaftlich überzeugend ist.
Good to know:
Korrektorat: Überprüfung von Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung und Typografie – der Fokus liegt auf sprachlicher Korrektheit.
Lektorat: Geht über das Korrektorat hinaus und umfasst zusätzlich Stil, Ausdruck, Verständlichkeit, Stringenz und ggf. wissenschaftliche Formalia.
Vorurteil 4: Ich kann meinen Text auch mit KI überarbeiten.
Ja und nein. Textgenerierende KI kann einzelne Formulierungen hervorragend verbessern, aber sie kann ein Lektorat nicht gänzlich ersetzen. In meinen Augen sind zwei Punkte entscheidend, aufgrund derer ich von der KI abraten würde.
Erstens ist die Überarbeitungsphase eine gute Gelegenheit für dich - durch den Input einer Lektorin - die Argumentation deiner Arbeit zu schärfen und Unklarheiten zu beseitigen. Das geht allerdings nur, wenn die Arbeit durch menschliches Verstehen als Ganzes erfasst und in ihren Zusammenhängen und der Struktur verbessert wird.
Zweitens sind KI-Texte durch ihren besonderen Stil als solche erkennbar, und eine "naive" Verwendung von KI-Verbesserungen ist für Dozent*innen sofort erkennbar. Für mich nutze ich einen einfachen Grundsatz: Ich copy-paste nur in eine Richtung, wenn ich mit ChatGPT arbeite, und zwar in das Tool hinein, aber nicht heraus. Ich lasse mir grundsätzlich mehrere Vorschläge machen, wenn ich mit einer Formulierung nicht weiterkomme, und schreibe aus den Vorschlägen meine Version zusammen. Dadurch stelle ich sicher, dass ich meinem eigenen Schreibstil treu bleibe.
Hier entlang für einen ausführliche Gegenüberstellung von menschlicher und künstlicher Intelligenz:
Vorurteil 5: Ein Lektorat hilft nur schlechten Studierenden, ihre Arbeit zu verbessern.
Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig: Wer ein Lektorat in Anspruch nimmt, habe „seine Arbeit nicht im Griff“ oder sei nicht gut genug, um allein eine solide Abschlussarbeit zu schreiben. Das stimmt so nicht: Ein Lektorat ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Professionalität.
Auch sehr gute Studierende können von einem Lektorat profitieren – oft sogar auf einem besonders hohen Niveau. Wenn die Argumentation bereits stark ist, liegt der Fokus darauf, diese klarer zu strukturieren, einzelne Punkte präziser herauszuarbeiten und die Ergebnisse sprachlich selbstbewusster zu präsentieren. In solchen Fällen ist es besonders befriedigend, die Arbeit gemeinsam weiterzudenken und auf Hochglanz zu bringen. Das geschieht in meinem Lektorat partnerschaftlich: Die fachliche Expertise bringen die Studierenden ein, ich ergänze sie mit meinem geschulten Blick für wissenschaftliches Schreiben.
Ein weiterer Punkt: Auch Studierende mit sehr guten Noten sind nach monatelanger Arbeit oft betriebsblind für ihren eigenen Text. Meine Perspektive von außen macht Unklarheiten sichtbar, die den Autor:innen selbst gar nicht mehr auffallen.
Nicht zuletzt bedeutet ein professionelles Lektorat auch eine Zeitersparnis: Während die Studierenden sich voll auf Inhalte und Forschung konzentrieren können, sorgt das Lektorat für den sprachlich-stilistischen Feinschliff und gibt damit Sicherheit kurz vor der Abgabe.
Zu teuer, illegal, kann auch KI - das stimmt so nicht
Viele Studierende verzichten auf ein wissenschaftliches Lektorat – nicht, weil es ihnen nichts bringen würde, sondern weil sie unsicher sind "was das bringt". Oft wird ein Lektorat mit einem reinen Korrektorat verwechselt, als „illegal“ abgestempelt oder als unnötig teure Investition gesehen. Mittlerweile glauben manche sogar, eine KI könne die gleiche Arbeit leisten. Doch ein wissenschaftliches Lektorat geht weit über Rechtschreibung hinaus: Es verbessert Stil, Struktur und Verständlichkeit, berücksichtigt die formalen Anforderungen der Hochschule und bietet eine professionelle Außenperspektive, die keine Software ersetzen kann.
Ein Lektorat ist kein Luxus und kein Schummeln - sondern eine sinnvolle Unterstützung, die deine Abschlussarbeit klarer, professioneller und überzeugender macht. Es richtet sich nicht nur an Studierende, die unsicher im Schreiben sind, sondern auch an die, die bereits auf hohem Niveau arbeiten und ihre Arbeit noch besser präsentieren wollen.
Wichtig ist: Ein Lektorat nimmt dir die Verantwortung nicht ab, sondern hilft dir, das Beste aus deinem Text herauszuholen - und dabei selbst zu lernen, wie du in Zukunft dein wissenschaftliches Schreiben weiterentwickeln kannst. Wer in seine Abschlussarbeit so viel Zeit, Mühe und Energie investiert, kann mit einem Lektorat der eigenen Arbeit den letzten Feinschliff verpassen - und dann die Arbeit mit gutem Gewissen abgeben.
Über mich:

Ich bin Miriam, Expertin für wissenschaftliches Arbeiten, Lektorin für wissenschaftliche Texte und Schreibberaterin aus Bremen.
Mit meinem Lektorat Am Schreibtisch unterstütze ich Studierende und Doktorand:innen bei ihren Abschlussarbeiten und der Veröffentlichung ihrer ersten Fachartikel.
Mein Fokus liegt dabei auf einem präzisem Ausdruck, der komplexe Sachverhalte verständlich vermittelt.
Du willst, dass deine wissenschaftliche Arbeit nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern fundierte, analytische Argumentationen entwickelt? Dann schreib mir eine Nachricht - und lass uns in unserer Zusammenarbeit deine Forschung erfolgreicher machen.
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