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Kann KI ein professionelles Lektorat ersetzen?

  • Dr. Miriam Pahl
  • May 17
  • 6 min read

Nicht nur die meisten Menschen integrieren mittlerweile unterschiedliche KI-Tools in ihren Arbeitsalltag. Auch in Unternehmen bekommen KI-Tools einen immer höheren Stellenwert: Bei der Sprachlern-App Duolingo werden gemäß einer AI-first-Strategie zukünftig alle automatisierbaren Aufgaben von KI übernommen. Zusätzlich wird KI-Kompetenz zum Kriterium in der Leistungsbeurteilung von Angestellten, und auch zum Einstellungskriterium. Wir befinden uns also mitten in einem grundlegenden Kulturwandel in der Arbeitswelt und darüber hinaus. Ich beschäftige mich in diesem Blogartikel mit der Frage, inwieweit Künstliche Intelligenz das professionelle Lektorat von wissenschaftlichen Arbeiten durch eine menschliche Lektor*in ersetzen können. Kann KI meinen Job machen?

Bildquelle: DeepAI
Bildquelle: DeepAI

ChatGPT, um deinen Text zu glätten?

Auf Social Media bin ich in letzter Zeit ab und zu dem Hinweis von Thesisberater:innen begegnet, dass ChatGPT gut genutzt werden kann, um den "Text zu glätten", wenn man eine wissenschaftliche Arbeit schreibt. Obwohl dagegen auf den ersten Blick nichts einzuwenden ist, nehme ich das zum Anlass, hier ein paar Punkte auszuführen, die verdeutlichen, warum ein professionelles Lektorat immer noch eine gute Idee ist und wir uns bei der Überarbeitung einer wissenschaftlichen Arbeit nicht komplett auf künstliche Intelligenzen verlassen sollten. Ich gebe zu, ich bin da voreingenommen, auch weil ich als Lektorin mit dieser Tätigkeit einen Teil meines Lebensunterhalts verdiene. Ich finde aber auch, dass ich mir mittlerweile ganz gut ein Urteil bilden konnte, eben weil ich schon lange schreibe, lektoriere und mich zusätzlich mit KI und ihrer Funktionsweise auseinandergesetzt habe.


Datenschutz beachten!

Der erste Punkt, der sich aufdrängt bei der Frage, ob wissenschaftliche Texte mithilfe von KI überarbeitet werden sollten - und der trotzdem oft nicht erwähnt wird - ist der des Datenschutzes. Es gibt Möglichkeiten, textgenerierende KI-Tools zu verwenden, ohne dass hochgeladene Dokumente, eingespeiste Texte oder auch nur die Prompts in das Trainingsmaterial der KI aufgenommen werden. Du solltest deine Forschungsdaten und dein geistiges Eigentum nur mit textgenerierenden Tools teilen, wenn du ganz genau weißt, ob und wie deine Eingaben weiterverwendet werden - vor allem, wenn Du nur Zugriff auf die Standard-Tools hast. Wenn du das nicht einschätzen kannst, solltest du höchstens Ausschnitte und anonymisierte Teile deiner Arbeit mit ChatGPT und Co teilen.


Im professionellen Lektorat kannst Du dir sicher sein, dass deine Daten und deine Arbeit gut aufgehoben sind. Ich verpflichte mich in meinen AGB zu strengster Vertraulichkeit und teile weder deine Daten noch die Inhalte deiner Arbeit mit Dritten.


Schauen wir uns nun also genauer an, was ein Lektorat beinhaltet.


Lektorat: Deine Arbeit als Ganzes

In einem wissenschaftlichen Lektorat erfolgt eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit deiner Arbeit. Das heißt, sie wird nicht nur Satz für Satz sehr gründlich gelesen, sondern auch als Ganzes erfasst. Dabei wird überprüft, ob sie den Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit entspricht. Sind die wichtigsten Zutaten für eine Einleitung enthalten? Sind die Forschungsfragen gut hergeleitet? Werden die Ergebnisse zuerst dargestellt, bevor sie diskutiert werden? Sind die Argumente in sich stimmig und schlüssig? Es werden Lücken und Unstimmigkeiten in der Struktur aufgedeckt, die bei einer Überarbeitung durch eine KI nicht auffallen.


Kommentare, die du von einer KI nicht bekommen würdest.
Kommentare, die du von einer KI nicht bekommen würdest.

Die künstliche Intelligenz kann deine Arbeit nicht als Ganzes erfassen, da sie nicht denken kann. Die KI ist eine Rechenmaschine, die Wortteile gemäß Wahrscheinlichkeiten aneinanderreiht. Sie berücksichtigt deinen Input und gleicht diesen mit ihrem Trainingsmaterial ab, aber sie handelt dabei nicht mit Sinn und Verstand. Wenn wir ChatGPT eine Frage stellen, dann wird die Antwort zum Teil errechnet, zum Teil gewürfelt. Dabei kommen Nutzungs-wahrscheinlichkeiten zum Tragen, die die künstliche Intelligenz aus dem Trainingsmaterial ableitet. Das bedeutet, dass die KI ihre Antworten eigentlich selbst nicht versteht. Ein professionelles Lektorat hat also auf jeden Fall den Vorteil, dass du Feedback auf der Makroebene deines Textes erhalten kannst.


In ihrer Überarbeitung bringt eine Lektorin die nötige Distanz zum Text mit, die tatsächlich notwendig ist, um auf Lücken und Sprünge in der Argumentation hinzuweisen. Du als Autor:in des Textes kannst dies nicht mehr leisten, da du zu nah am Geschriebenen dran bist und dir die Lücken nicht mehr auffallen. Deswegen ist es schwierig, eine KI gezielt nach diesen Unstimmigkeiten zu fragen.


Menschlichkeit vs. Maschine

Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, beim Lektorieren zu berücksichtigen, dass es für Schreibende nicht einfach ist, ihre wissenschaftliche Arbeit weiterzugeben und eine andere, fremde Person draufschauen zu lassen. Die Hemmschwelle ist vermutlich mit textgenerierenden Tools geringer, da diese ja generell sehr wertschätzend kommunizieren und als Maschine neutral und unpersönlich bleiben. An dieser Stelle - also wenn ein Text noch nicht ganz ausgereift ist, kann es hilfreich sein, mit einem textgenerierenden Tool in's Gespräch zu gehen.


Ich würde dieses "in's Gespräch gehen" bei der Arbeit mit Texten wörtlich nehmen, denn ich halte nicht viel davon, der KI einen Arbeitsauftrag zu geben und ein gutes Ergebnis zu erwarten. Der Unterschied ist, dass du im Gespräch die Gesprächsführung behältst (unbedingt behalten sollst!) und die KI für dich arbeiten lässt. Lagere also den Schreibdenkprozess nicht an die KI aus, sondern lass dir zuarbeiten, indem du gut überlegte Fragen stellst. Isabella Buck empfiehlt in ihrem Buch "Wissenschaftlich Schreiben mit KI" (2025), das Konzept der Schreibberatung als Modell für Fragen an die KI hinzuziehen. In einer Schreibberatungssitzung geht es nicht darum, Fragen nach der Qualität einzelner Textteile zu beantworten, sondern es werden Textstellen und Textprobleme diskutiert, so dass die Autor:in ihren Text nachfolgend selbst verbessern kann (Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe).


Als Schreibberaterin und Lektorin habe ich die nötige Expertise, um von selbst auf diese Fragen einzugehen und sie mit dir persönlich oder in meinen Kommentaren zu deinem Text zu klären. Wenn Du mit einem textgenerierenden Tool zusammenarbeitest, liegt es an dir, das Tool so zu lenken, dass es dir wirklich hilfreiches Feedback zu deinem Text geben kann.


Überarbeiten: Get to know your text

Schauen wir uns jetzt also die Überarbeitung auf Satzbasis an, also im Kleinklein der Sprache, des Stils, der Formulierungen und der Grammatik. Dabei finde ich zwei Punkte besonders wichtig: Die Bedeutung der Überarbeitungsphase als Textschärfung, und die Vermeidung des KI-eigenen Stils, den du nicht über deinen Text stülpen solltest.


In der Überarbeitungsphase des Schreibens schärfst du deine Textintention. In der Rohfassung werden oft die Themen zusammengetragen und aneinandergereiht, im Überarbeiten wird dein roter Faden gestrickt und die Argumentation klarer herausgearbeitet. Im Überdenken einzelner Formulierungen arbeitest du heraus, was du eigentlich übermitteln willst. Ich denke, du kannst mit gezielten Fragen eine KI als Sparring-Partner einspannen, aber, wie schon gesagt, du solltest die Denkarbeit nicht delegieren, und dir Mühe geben, dich konzentriert tief in deinen Text zu begeben, um eine scharfsinnige Auseinandersetzung mit deinem Thema zu ermöglichen. Wenn du zu schnell zur KI greifst, um einzelne Formulierungen zu verbessern, verpasst du die Gelegenheit, selbst mit einem tiefen Fokus über dem Text zu brüten und ihn weiterzuentwickeln.


Wenn du keine Einfälle mehr zu einem bestimmten Thema hast und die KI nach Inspiration fragen möchtest, halte ich es für wertvoller, noch einmal in deine Schlüsseltexte oder dein eigenes empirisches Material zu schauen, um neue Facetten deines Themas aufzumachen und zu bearbeiten.


Ich habe bereits gesagt, dass ich nicht empfehlen würde, ganze Textteile von ChatGPT und Co. überarbeiten zu lassen. Darüber hinaus solltest du bei der Verwendung von KI bewusst in Auftrag geben, dass der Stil deinem eigenen angeglichen wird. Im Englischen gibt es mittlerweile lange Listen von typischen KI-Wörtern und Ausdrücken, anhand derer man (oft) KI-generierte Texte erkennen kann. Neben diesen Wörtern und Ausdrücken weisen KI-Texte oft eine typische Struktur auf und sie sind ähnlich gelayoutet. Wenn du KI "naiv" nutzt, haben Dozent:innen und Gutachter:innen ein feines Gespür für deinen persönlichen Stil und den der KI, sodass die Unterschiede rasch auffallen. Zugegeben: Mit der raschen Entwicklung von textgenerierenden Tools wird das aber zunehmend schwieriger.


Zusammenfassung: Know your tools

KI ist ein Werkzeug, dass nur so gut arbeitet, wie du es anzuwenden weißt. Wie gut kannst du prompten? Wie gut verstehst du, wie KI funktioniert? Wenn du dich damit ausreichend auseinandergesetzt hast, kannst du besser einschätzen, wofür du KI tatsächlich gut verwenden kannst. Du brauchst auch dieses Hintergrundwissen, um zu antizipieren, wo die Schwachstellen von KI sind. Deswegen solltest du anfangs zögerlich und skeptisch sein, wenn du dir Texte generieren oder überarbeiten lässt.

Ich habe mittlerweile einige Schulungen und Online-Kurse absolviert, und habe trotzdem manchmal das Gefühl, dass ich den gewünschten Text oft schneller geschrieben habe als einen guten Prompt zur Texterstellung.


Dennoch: Ich möchte dich hiermit ermutigen, dich aktiv mit KI auseinanderzusetzen - in der Theorie und in der Praxis. Lies Texte über KI und probiere unterschiedliche Tools aus, um immer besser zu verstehen, was wie funktioniert. Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant zu einer Kulturtechnik, und der Umgang mit unterschiedlichen Tools wird immer mehr vorausgesetzt werden - nicht nur bei Duolingo, sondern auch bei anderen Arbeitgebern und in anderen Bereichen des Alltags. Wenn du jetzt nicht einsteigst, wird es immer schwieriger werden aufzuholen.



Wenn Du momentan deine Abschlussarbeit schreibst und diese gern professionell überarbeiten lassen würdest, melde Dich gerne für ein unverbindliches Angebot.





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