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Grundregeln für einen guten wissenschaftlichen Schreibstil

  • Dr. Miriam Pahl
  • 23. Nov.
  • 8 Min. Lesezeit

Wer sich mit dem wissenschaftlichen Schreiben beschäftigt, denkt meist zuerst an präzise Formulierungen, korrektes Zitieren und einen sachlichen, objektiven Stil. Doch bevor man sich intensiv mit dem wissenschaftlichen Schreibstil auseinandersetzt, lohnt es sich, die Grundregeln für gutes Schreiben generell kennenzulernen. Sie bilden die Basis für verständliche, klare Texte – im Journalismus ebenso wie in wissenschaftlichen und Sachtexten – und helfen dabei, Schritt für Schritt wissenschaftlich schreiben zu lernen. Ich erläutere hier im Folgenden die wichtigsten Regeln mit Beispielen und Anwendungstipps.


Inhalt:


Einen guten wissenschaftlichen Schreibstil entwickeln - was ist zu beachten?
Einen guten wissenschaftlichen Schreibstil entwickeln - was ist zu beachten?

Nominalstil

Im Nominalstil werden Verben und andere Wortarten durch Substantive ersetzt: Aus verwerten wird Verwertung, aus repräsentieren wird Repräsentation, aus relevant wird Relevanz, aus verständlich wird Verständlichkeit. Solche Nominalisierungen werden vor allem in amtlichen und wissenschaftlichen Texten viel verwendet. Allerdings machen sie Sätze sperrig, lang und schwer zu fassen. Sie müssen mehrmals gelesen werden, bevor die Bedeutung klar wird. Wenn auf Nominalisierungen verzichtet wird, werden Sätze flüssiger und leichter verständlich - was besonders bei komplexen wissenschaftlichen Themen eigentlich hilfreich ist.


Wenn drei oder mehr Substantive auf ein Verb kommen, kann einem Text ein Nominalstil bescheinigt werden (Stalder und Bisang 2024, S. 123). Stalder und Bisang erläutern zusätzlich den Unterschied zwischen "präzisen" und "unpräzisen" Substantiven. Präzise Substantive sind vor allem Fachbegriffe, die die Bedeutung eines Textes tragen und auf die deswegen nicht verzichtet werden kann. Sie können auch nicht durch Synonyme ersetzt werden, da dies die Lesenden nur verwirrt. Fachbegriffe verhelfen zu einer präzisen, effizienten Kommunikation in Fachtexten.


Unpräzise Substantive dagegen wirken fachlich, tragen aber nicht das gleiche Gewicht an Bedeutung wie die präzisen Substantive, also vor allem die Fachbegriffe. Stattdessen blähen sie Texte unnötig auf und verwässern die Aussage eines Satzes. Für Schreibende sind sie bequem, weil sie intelligent wirken und gleichzeitig ein bisschen unscharf, so dass man nicht genau wissen muss was man gerade sagen möchte. Je klarer eine Aussage wird, desto sicherer sollte man sich ihres Wahrheitsgehaltes sein. Das Ziel in guten Texten ist also, unpräzise Substantive sparsam einzusetzen und die Aussage des Satzes klar und leicht verständlich zu vermitteln. Inhaltlich belanglose Substantive sollten möglichst ersetzt werden gegen dynamischere, konkretere Wörter. Dabei ist das Ziel ein ungefähr ausgeglichenes Verhältnis zwischen Verben und Substantiven.

Mehr dazu hier lesen:


Aktivformulierungen

Grundsätzlich sollen wir lieber aktive Sätze schreiben und Passiv-Konstruktionen vermeiden. Aktivkonstruktionen geben dem Leser die Informationen zum „Täter“, zur Handlung und ggf. dazu, an wem diese vollzogen wird, in der gebräuchlichsten Reihenfolge. Deswegen erfüllen Sätze im Aktiv die „Informationsbedürfnisse“ des Lesenden besser als eine Passivkonstruktion, und der Leserin fällt es leichter, den Satz zu erfassen, wenn das Subjekt vorangestellt wird. Aktivkonstruktionen werden deswegen als angenehmer empfunden; sie erleichtern den Lesefluss. Aktive Sätze sind also leichter zu verstehen und aktivieren die Aufmerksamkeit deiner Leser:innen. Sie sind auch oft kürzer und präziser.


Mit Passivsätzen gelingt es allerdings, die Handlung oder den Vorgang ins Zentrum zu rücken. Deswegen müssen wir Passivkonstruktionen nicht komplett aus deinem Repertoire verbannen -- wir können sie für die Lenkung der Aufmerksamkeit sinnvoll einsetzen. Dennoch: Diese Satzart fordert die Leserin mehr heraus, denn die Stelle des Subjekts bleibt erstmal leer; diese Information fehlt.


Tipp:

Der bewusste Umgang mit Aktiv- bzw. Passivkonstruktionen ist vor allem in trockenen Textteilen wichtig - Hallo Literaturanalyse, hallo Forschungsstand, I am talking about you 🙋🏽‍♀️Wenn die Zusammenhänge schon besonders komplex sind, solltest du dich um verständliche Satzkonstruktionen bemühen.


Es wurde bereits festgestellt, dass …

Besser: X und Y stellten in ihrer Untersuchung fest, dass…


Auf Füllwörter verzichten

Während Füllwörter in der gesprochenen Sprache einen Zweck erfüllen und ihre Berechtigung haben, wird in wissenschaftlichen Texten weitgehend darauf verzichtet. Füllwörter bieten in einem Satz keinen inhaltlichen Mehrwert und machen ihn durch unnötige Länge ineffizient. Meistens handelt es sich um Adjektive, Adverbien und Partikel. Sie stören den Lesefluss und erzeugen Unschärfe, indem sie Distanz zur Aussage des Satzes aufbauen.


Vergleiche mal:

Beispiel:

Das Ergebnis ist relativ eindeutig, wobei es möglicherweise trotzdem noch weiterer Untersuchungen bedarf.

-> Das Ergebnis ist eindeutig, wobei es weiterer Untersuchungen bedarf.


Das Beispiel zeigt: Eine klare Aussage wird durch einzelne Wörter eingeschränkt und vermittelt Unsicherheit. Das ist in wissenschaftlichen Texten fatal.


Zu den gängigsten Füllwörtern gehören die folgenden:

besonders

durchaus

quasi

anscheinend

dementsprechend

maßgeblich

tatsächlich

selbstverständlich

etwa

grundsätzlich

aus diesem Grund

Insbesondere

schon

im Prinzip

vor allem

relativ

regelrecht

sehr

ungefähr

vergleichsweise

Tipps:

  • Konzentriere dich beim Schreiben auf die Textproduktion und kümmere dich erst im Nachgang um das Entfernen der Füllwörter. Beim Überarbeiten kannst du das verdächtige Wort probeweise streichen und prüfen, ob die Aussage des Satzes sich dadurch geändert hat. Wenn die Aussage gleich bleibt bzw. klarer wird, streiche das Wort endgültig.

  • Viele Schreiberlinge haben ihre persönlichen Lieblingsfüllwörter, die sie immer wieder verwenden. Wenn du deinen eigenen Füllwörter nicht selbst auf die Schliche kommst, bitte eine Freundin bei ihrer Korrektur auf sich wiederholende, überflüssige Wörter zu achten.


Die Personalpronomen Wir, ich, man in wissenschaftlichen Arbeiten

Für einen wissenschaftlichen Schreibstil sind eine objektive und präzise Sprache wichtig. Deswegen ist die Verwendung von Ich- oder Wir-Formulierungen in wissenschaftlichen Arbeiten nicht immer üblich. Es gibt dazu unterschiedliche Auffassungen in den Disziplinen, deswegen stellt sich zuerst die Frage: Was ist in deiner Disziplin üblich? Danach kannst du dich grundsätzlich richten. Für Neulinge im wissenschaftlichen Schreiben ist es anfangs gar nicht so einfach, sich selbst aus dem Text "verschwinden" zu lassen, schließlich bin ich ja die Person die hier denkt, schreibt, abwägt, argumentiert, und so weiter.


  • Ich-Formulierungen sind eher zu vermeiden, sie werden in manchen Disziplinen aber durchaus verwendet, z. B. in der Einleitung und im Schlussteil.

  • Die Wir-Formulierung sollte nur angewendet werden, wenn dahinter tatsächlich mehrere Personen stehen

  • Die Man-Formulierung solltest du grundsätzlich vermeiden, da sie in wissenschaftlichen Texten informell erscheint.

  • Die dritte Person („Die Autorin ist der Auffassung…“) ist nicht mehr gebräuchlich und gilt als altmodisch.


In der Einleitung und im Schluss ist es möglich, seinen eigenen Anteil an der Forschung zu benennen. Die Ich-Form kann dann z. B. zur Beschreibung der Struktur des Textes verwendet werden:


Beispielformulierungen:

Ich gehe zuerst auf die Argumente gegen diese Theorie ein..

Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich..


Auch in der Auseinandersetzung mit eigenen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen können diese Formulierungen evtl. verwendet werden.

Richte dich bei der Verwendung von Personalpronomen unbedingt nach dem, was in deiner Fachrichtung üblich ist. Selbst wenn deine Hochschule da anders verfährt und z.B. Ich-Formulierungen zulässt, solltest Du Alternativen üben, wenn das in deiner Disziplin auch so gehandhabt wird - wer weiß, ob du nach deinem nächsten Abschluss nicht weiterziehst?


Beispielformulierungen:

Die Versuche ergaben, dass...

Die Untersuchung geht der Frage nach...

Hoffmann et al. nehmen an, dass...

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob...

Der Versuch bestätigt, dass...


Anglizismen in wissenschaftlichen Texten

Ein Anglizismus ist ein aus dem Englischen entlehnter Begriff, der in den deutschen Sprachgebrauch aufgenommen wurde. „Laptop" oder „Babysitter" sind gängige Beispiele, "Job" und "Jeans" sind schon länger übernommen, "canceln" und "downloaden" sind vergleichsweise neu im Deutschen.

Grundsätzlich gilt: Wenn es ein treffendes deutsches Wort gibt und auch aus fachlicher Sicht kein Anglizismus notwendig ist, dann bleibe besser bei den deutschen Begriffen.


Ich rate nicht aus Überzeugung von der Verwendung von Anglizismen ab (ich bin offen für Sprachwandel!), sondern weil der Gebrauch oft anfälliger für Fehler ist.

Stelle also sicher, dass du Anglizismen richtig verwendest, wenn du darauf zurückgreifst.


Die wichtigsten Regeln für Anglizismen sind wie folgt:

  • Anglizismen werden an die deutsche Satzstruktur angepasst und den Regeln der deutschen Grammatik unterworfen

  • Also: Substantive werden großgeschrieben, zusammengesetzte Substantive werden zusammengeschrieben oder mit einen Bindestrich verbunden.

  • Aus dem Englischen entlehnte Verben werden regelmäßig konjugiert.


Beispiele:

Richtig: googeln, getimt, E-Mail, Economyclass, Science-Fiction, Ladys, Storys

Falsch: googlen, getimed, email, economy class, Science fiction, Ladies, Stories


Verben: Ich chille, du chillst, es/ ihr chillt, wir/ sie chillen, ich habe gechillt


Wenn du englische Fachbegriffe in deiner wissenschaftlichen Arbeit verwendest, solltest du prüfen, inwieweit diese im deutschsprachigen Diskurs deines Forschungsfeldes angekommen und verwendet werden. Teilweise ergeben sich im Transfer inhaltliche Abweichungen, die du gegebenenfalls aufklären solltest.


Wissenschaftliches Schreiben ist präzise und konkret

Verben so konkret wie möglich

"machen" und "sein" sind nicht die einzigen Verben im deutschen Sprachgebrauch. Überlege, ob du ein konkreteres Verb findest, vor allem, wenn du gerade eins verwenden möchtest, das inflationär oft benutzt wird.

Präzision erarbeiten: Statt "Viele Theorien vertreten diese Position" schreibe: "Taylor Swift (2012), Michelle Obama (2017) und Reese Witherspoon (2021) vertreten diese Position". Das musst du natürlich alles erstmal raussuchen, aber es macht deinen Text konkret und unangreifbar.


Variiere die Satzlänge

Lange, komplexe Sätze lassen sich nicht immer vermeiden, aber zu viele in Folge überfordern deine Leserin. Variiere deswegen die Satzlänge und setze kurze Sätze gezielt ein, um wichtige Informationen hervorzuheben. Kurze Sätze erleichtern die Lesbarkeit deines Textes.


Tipp:

Lies Dir deinen Text selbst laut vor. Kommst du aus der Puste bevor der Satz geschafft ist? Dann ist er wohl zu lang. Lautes Vorlesen hilft auch, um andere Ungereimtheiten aufzudecken.


Schreibratgeber für einen guten (wissenschaftlichen) Schreibstil

1. Fachtexte Stilsicher und gehirngerecht schreiben (2024) von Daniel Stalder und David Bisang


Buchcover von Fachtexte stilsicher und gehirngerecht schreiben (2024)
Fachtexte stilsicher und gehirngerecht schreiben (2024)

Die Schreibtrainer Daniel Stalder und David Bisang legen in ihrem Buch Fachtexte stilsicher und gehirngerecht schreiben den Fokus auf einen Schreibstil, der „gehirngerecht“ und dadurch leserfreundlich ist. Sie richten sich damit vor allem an Expert:innen und Wissenschaftler:innen, die ihre komplexen Themen verständlich herüberbringen möchten. Die Autoren geben nicht nur Tipps für gehirngerechte Schreibprodukte – Texte – sondern auch gehirngerechte Schreibprozesse – also das Schreiben selbst. Sie gehen dabei auf unterschiedliche Schreibtypen ein und erklären wie Denken, Planen und Schreiben zusammenhängen. Stalder und Bisang liefern mit ihren Erklärungen der Prozesse im Gehirn Gründe für die grundlegenden Stilregeln, die Dir bestimmt schon oft begegnet sind: Nominalstil und Verneinungen vermeiden, Bandwurm- und Schachtelsätze auflösen, aktive Sätze bilden.


2. Erfolgreich texten von Doris Märtin (2019)


Buchcover von Erfolgreich texten von Doris Märtin
Erfolgreich texten von Doris Märtin

Obwohl das Buch Erfolgreich texten von Doris Märtin sich nicht primär an Wissenschaftler*innen richtet, können diese hier viel für die bessere Verständlichkeit ihrer wissenschaftlichen Arbeiten lernen. Der Titel Erfolgreich texten weist darauf hin, dass Märtin sich auf das Schreiben von Texten bezieht, die bewusst und zielgerichtet verfasst werden. In meinen Augen sollten sich davon aber auch Studierende und Wissenschaftler*innen angesprochen fühlen, denn Abstracts, Anträge und andere wissenschaftliche Textsorten müssen ebenso verständlich und überzeugend sein wie Marketing- und journalistische Texte.

Märtin schaut auf den Schreibprozess und gibt fundierte Einblicke in Methoden, die das Schreiben erfolgreicher und angenehmer machen. Gleichzeitig untersucht sie auf unterschiedlichen Ebenen das Schreibprodukt: Sie diskutiert wie "wirkungsvolle" Texte geschrieben werden, unter anderem mit klaren Worten, verständlichen Sätzen und gut strukturierten Absätzen sowie Textabschnitten.

Dr. Doris Märtin hat in Anglistik promoviert und ist als Kommunikationsberaterin tätig.


3. The Elements of Style von William Strunk Jr.


Buchcover von The Elements of Style
The Elements of Style mit Verzierungen meiner Tochter

Der Klassiker The Elements of Style von William Strunk Jr. ist seit Jahren ein wichtiger Bestandteil meiner "Bibliothek" und ich blättere immer wieder gerne darin herum. Wenn Du deine Abschlussarbeit auf Englisch schreibst, empfehle ich Dir dieses Buch wärmstens, und selbst wenn Du auf Deutsch schreibst, wirst Du hier einige Tipps übertragen können. Neben grundlegenden Regeln für einen guten Schreibstil stellt Strunk unzählige Hinweise zur Satz- und Textkomposition bereit. Die Regeln und Empfehlungen werden anhand von vielen Beispielen erläutert, die in ihrer Aufstellung nebeneinander schnell zu erfassen sind. In der hier verlinkten Auflage von 2007 sind die Tipps zum bewussten Gebrauch von Sprache außerdem anschaulich und humorvoll illustriert. Kurzweilig und schnell zu erfassen kann dieses kleine Buch dir mit wenig Aufwand helfen, deinen Schreibstil zu verbessern.


Über mich

Dr. Miriam Pahl
Dr. Miriam Pahl

Ich bin Miriam, Expertin für wissenschaftliches Arbeiten, Lektorin für wissenschaftliche Texte und Schreibberaterin aus Bremen.

Mit meinem Lektorat Am Schreibtisch unterstütze ich Studierende und Doktorand:innen bei ihren Abschlussarbeiten und bei der Veröffentlichung ihrer ersten Fachartikel.


Mein Fokus liegt dabei auf einem präzisen Ausdruck, der komplexe Sachverhalte verständlich vermittelt.


Du willst, dass deine wissenschaftliche Arbeit nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern fundierte, analytische Argumentationen entwickelt? Dann schreib mir eine Nachricht - und lass uns in unserer Zusammenarbeit deine Forschung erfolgreicher machen.


Quellen:

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