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Textverständlichkeit in der Wissenschaft: Sollte selbstverständlich sein!

  • mpahl2
  • 23. Nov. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Sept.

Wissenschaftssprache gilt als trocken, unnötig kompliziert und schwer verständlich. Schwer verständlich zu schreiben sollte aber nicht das Ziel sein, weder für gestandene Wissenschaftler*innen noch für diejenigen, die gerade in die Wissenschaftssprache hineinwachsen. In wissenschaftlichen Arbeiten wie der Bachelor- und Masterarbeit ist es wichtig, verständlich zu schreiben - denn darum geht es beim Schreiben.


Wer meinen Text nicht versteht, ist selbst schuld - so scheint immer wieder die Herangehensweise von Wissenschaftler:innen an das Schreiben zu sein.


Aber so einfach ist das nicht.


Ich denke, so manche*r Akademiker*in sollte sich etwas mehr Mühe geben, verständlich zu schreiben. Texte - auch wissenschaftliche Arbeiten - sollen verständlich geschrieben sein. Das ist umso erstrebenswerter, wenn die behandelten Themen selbst schon komplex und schwer zu greifen sind. Deswegen ist es von der ersten Hausarbeit an sinnvoll, sich eine verständliche Schreibweise anzugewöhnen.



Plan der U-Bahnlinien von London als Symbolbild für eine Textgliederung
Eine verständliche Gliederung ist wie ein Stadtplan, mit dem du durch deinen Text navigierst.

Verständlichkeit ist ein Qualitätsmerkmal eines Textes. Jeder Text hat eine "kommunikative Funktion" - was soll vermittelt werden? Sollen Informationen festgehalten werden, geht es um's Überzeugen oder Unterhaltung? Die kommunikative Funktion ist bestimmt durch den Zweck des Textes, sowie durch Merkmale des Sendenden und des Adressaten. Für wen ist ein Text geschrieben? In wissenschaftlichen Texten geht es vor allem darum, Wissen festzuhalten, zu generieren und zu verhandeln. Wenn ein Text nicht verstanden wird, erfüllt dieser nicht seine „kommunikative Funktion“.


Wissenschaft und Forschung soll immer auch einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Nach der Corona-Pandemie und in Zeiten von Open Science soll Wissenschaft zugänglicher und ein inklusiverer Ort werden. Geschriebene Sprache aber, die unnötig kompliziert ist, schließt Personengruppen aus dem wissenschaftlichen Diskurs aus. Die Wissenschaftssprache stellt aber oft auch eine zusätzliche Hürde für Studierende aus nicht-akademischen Hintergründen dar, die sich an der Universität zurecht finden sollen.


Man muss natürlich unterscheiden zwischen Wissenschaftstexten, die für andere Fachpersonen geschrieben sind, und Wissenschaftskommunikation, die vor allem für den Transfer in die Gesellschaft gedacht ist. Fachtermini und präzise Formulierungen sind unerlässlich, wenn komplizierte Sachverhalte erklärt werden.


Texte sind Dienstleistungen für Leser:innen. Orientiere dich (auch) an deiner Leserschaft, wenn du schreibst.

Die vier Dimensionen der Textverständlichkeit


Die vier Dimensionen der Textverständlichkeit nach dem Hamburger Modell machen deutlich, worauf wir achten können, um verständlich zu schreiben.


Nach diesem Verständlichkeitskonzept bestimmen Wort- und Satzmerkmale sowie die Gliederung und Organisation des Textes seine Verständlichkeit.

Die folgenden vier Dimensionen bestimmen, wie verständlich ein Text ist:


  1. Einfachheit: Verständliche Worte und ein einfacher Satzbau sind zwei Merkmale für die Verständlichkeit eines Textes. In einem verständlichen Text werden zum Beispiel Fachwörter erklärt. In der Wissenschaft bringt die Komplexität der behandelten Themen bereits einen gewissen Schwierigkeitsgrad mit sich - es ist also eigentlich unmöglich, wissenschaftlich und "einfach" zu schreiben. Deswegen gilt:

  2. Gliederung und Ordnung: Eine gute Gliederung ermöglicht der Leserin, die Schritte im Text mitzugehen. Sind die Teile wirr und zusammenhanglos, dann ist es schwer zu folgen und die Inhalte können nur schwer erfasst werden.

  3. Kürze und Prägnanz: Ein Text kann sehr kurz gehalten sein oder weitschweifig erzählen und sich auch mit Unnötigem aufhalten.

  4. Zusätzliche Anregungen: Kleine Anekdoten und bildhafte Vergleiche sind zusätzliche Anregungen, die den Text beleben und die Leserin animieren weiterzulesen. Sie sind das Salz in der Suppe des wissenschaftlichen Textes. Am Esstisch wie am Schreibtisch gilt: Unerlässlich, aber bitte nicht versalzen.


Je nach Textart sind hier unterschiedliche Grade der verschiedenen Dimensionen anzupeilen. Wenn Du zum Beispiel für ein Fachpublikum in deiner Disziplin schreibst, musst du nur wenige Fachbegriffe erklären, während das schon ganz anders aussieht, wenn Du für ein breiteres Publikum schreibst.

Wie der Nominalstil Texte unnötig kompliziert macht kannst Du hier nachlesen:


Warum sollte meine Abschlussarbeit verständlich geschrieben sein?


Man hört immer wieder Beschwerden, dass ein*e Gutachter*in ja offensichtlich eine Arbeit nicht vollständig gelesen hätte. Diese Beschwerden werden meist etwas selbstgerecht und beleidigt geäußert. Aber ich frage mich dann, ob es vielleicht am Text gelegen hat.

Denn Gutachter*innen, genau wie die meisten anderen Menschen, haben keine Zeit zu verschenken. Sie beschweren sich nicht über Langeweile oder zu wenig zu tun, sondern müssen eher schauen, wo sie sich in ihrem Arbeitstag noch Zeit freischaufeln können. Eine Abschlussarbeit, eine Dissertation, einen Forschungsantrag zu lesen, das sind meist die Aufgaben im Tagesgeschäft einer Professorin, die auch fernab vom Schreibtisch erledigt werden können. Auf einer Zugfahrt, oder auch in Etappen: zuerst ein Teil am Frühstückstisch, dann ein bisschen in der S-Bahn, und der Rest wenn man im Büro ankommt. Ich behaupte mal, dass ein großer Teil von Bachelor- und Masterarbeiten nicht mit voller Konzentration in einem ruhigen Büro gelesen werden.


Und daraus folgt, dass es umso wichtiger ist, dass deine Arbeit glasklar und verständlich geschrieben ist. So fällt es jedem Gutachter leicht, sich zu erinnern, was zuletzt "geschah", und den Faden wieder aufzunehmen. Und du kannst eher davon ausgehen, dass deine Arbeit tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen wird.


Dr. Miriam Pahl
Dr. Miriam Pahl

Über mich:

Ich bin Miriam, Expertin für wissenschaftliches Arbeiten, Lektorin für wissenschaftliche Texte und Schreibberaterin aus Bremen.

Mit meinem Lektorat Am Schreibtisch unterstütze ich Studierende und Doktorand:innen bei ihren Abschlussarbeiten und bei der Veröffentlichung ihrer ersten Fachartikel.


Mein Fokus liegt dabei auf einem präzisem Ausdruck, der komplexe Sachverhalte verständlich vermittelt.


Du willst, dass deine wissenschaftliche Arbeit nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern fundierte, analytische Argumentationen entwickelt? Dann schreib mir eine Nachricht - und lass uns in unserer Zusammenarbeit deine Forschung erfolgreicher machen.


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