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Monatsrückblick Mai 2025

  • Dr. Miriam Pahl
  • Jun 10
  • 8 min read

May was so sweet. So viel schönes Wetter, die Natur explodiert, unser Garten blüht auf, man kann so viel draußen sein und barfuß laufen. Beautiful. Ich merke, wie mir das Energie gibt und mich motiviert. Ich bin auch wieder tiefer drin in meiner selbstständigen Tätigkeit, hier, in den Themen wissenschaftlichen Schreibens, Lektorierens; Studierende unterstützen, und so. Auch das gibt mir Auftrieb.



Im Mai ist mir ein Licht aufgegangen, dass ich mehr englische Texte lektorieren möchte - und das auch kann, also, die Kompetenzen dazu habe. Das zweite Thema diesen Monat ist Care in der Wissenschaft. Im Mai fand die Vereinbarkeitswoche der Universität Bremen statt, in der es viele spannende Online-Vorträge zu Care, Vereinbarkeit, Inklusion und Chancengleichheit gab. Meine Gedanken dazu hier im Folgenden :) Und außerdem: Auf Instagram startete im Mai ein Trend, in dem Individuen aufzeigen, an welche Mythen sie in ihren Themenfeldern nicht (mehr) glauben. My two cents to that below.


Ich stehe mir selbst im Weg

Ich stehe mir selbst im Weg. Ich habe im April und Mai zwei englische Manuskripte für englische Fachartikel lektoriert und dabei festgestellt, dass ich an meinen eigenen Glaubenssätzen arbeiten muss, wenn ich meine Dienstleistung erfolgreich bewerben möchte. Ich habe selbst bisher gedacht, dass man seine Arbeit doch nur einer Muttersprachlerin anvertraut, und ich deswegen gar kein englisches Lektorat bewerben bräuchte. Aber was hat es denn damit auf sich? Ist ein:e Muttersprachler:in grundsätzlich besser, wenn es um Sprache und Schreiben geht?


Auch in anderen Bereichen gibt es diesen Mythos, dass Muttersprachler:in zu sein quasi eine Qualifikation mit sich bringt. Aber: Ich habe in meiner Zeit in Kenia mehrere Sprachkurse für Swahili gemacht, und dort immer wieder festgestellt, dass jemand, der Swahili spricht, noch lange keinen guten Sprachunterricht macht. Guter Unterricht braucht Struktur, Strategie und didaktische Kompetenzen. Das eignet man sich nicht mit der Muttersprache an.


Ähnliches gilt für das Lektorat englischer wissenschaftlicher Arbeiten: Es braucht mehr als das reine Sprachwissen, um das gut zu machen. Man braucht ein Auge für's Detail und "Textsortenwissen": Welche Komponenten hat eine Bachelorarbeit, eine Masterarbeit, ein wissenschaftlicher Fachartikel? Welcher Stil ist angemessen? Man braucht Konzentrations- und Lesetechniken, um den Text als Ganzes sowie seine (kleinsten) Teile zu erfassen. Und man muss wissen, wie man verbessert und kommentiert, konstruktiv aber mit Empathie, um die Autor*innen der Texte nicht vor den Kopf zu stoßen.


Und das paradoxe ist ja, dass ich meine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten überwiegend in englischer Sprache geschrieben habe. Ich habe English Speaking Cultures im Bachelor studiert und war dann schon so auf das englischsprachige Ausland ausgerichtet, dass ich auch im Master (Transnationale Literaturwissenschaften) alle meine Arbeiten weiterhin auf englisch geschrieben habe. Danach habe ich an der University of London promoviert und meine Doktorarbeit natürlich auch auf englisch verfasst. Nach meiner Zeit in London habe ich einige Jahre in Nairobi (Kenia) gelebt, wo auch englisch die Hauptverkehrssprache ist. Ich lese auch heute noch viele Fachartikel auf Englisch und kann mich bei Romanen manchmal nicht erinnern, ob ich ein Buch auf deutsch oder englisch gelesen habe, so sehr sind beide Sprachen normal für mich.


Und dennoch habe ich mich bisher nicht getraut, mein Lektorat auch für englische Texte aktiv zu bewerben und anzubieten. Und das, obwohl ich im Vergleich ja wirklich viel Erfahrung mit englischer Wissenschaft habe. Und es kommt noch ein anderer Punkt hinzu: Ich habe letzten Monat ein Lektorat einer Masterarbeit abgelehnt, da ich bereits bei der Einleitung festgestellt habe, dass ich das Thema nicht bedienen kann. Ich habe dann recherchiert, ob ich dem Studierenden jemand anderes empfehlen kann. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele freiberuflichen Lektor:innen das Wissenschaftslektorat oft auch, quasi neben ihrem Kerngeschäft, anbieten, neben vielen anderen Textsorten. Wenn jemand vor allem Jahresberichte von Unternehmen oder Werbetexte lektoriert, wie hochwertig kann dann das Lektorat einer wissenschaftlichen Arbeit dieses Lektors sein? Ich lasse das hier mal so stehen. Für mich ist auf jeden Fall klar, dass ich diese Sparte in Zukunft selbstbewusster bewerben möchte. Ich glaube, das kann ich rechtfertigen.



Care in der Wissenschaft

Im Rahmen der Vereinbarkeitswoche 2025 der Uni Bremen hat Prof. Dr. Sabrina Schmitt einen Vortrag zum Thema: "Sorgende Hochschulen: Die Care-Debatte als Schlüssel für eine gerechte Wissenschaftskultur" gehalten. Sie hat in diesem Vortrag dargestellt, wie sehr das Konzept eines vermeintlich sorg-losen Wissenschaftlers in einem Spannungsverhältnis zum realen Leben steht, in dem wir alle in Care- oder Sorgestrukturen eingebunden sind. Sie schlussfolgert daraus, dass eine gerechtere Wissenschaftskultur Care als normative Kategorie mitdenken und berücksichtigen muss. Niemand kann ohne Fürsorge leben.


Der Vortrag hat mir das Buch A Thousand Ships von Natalie Haynes wieder in Erinnerung gerufen, auf deutsch "Die Heldinnen von Troja", die Geschichte von Odysseus und Troja aus der Sicht der involvierten Frauen, die in der Konstruktion von Geschichte und Geschichten generell vernachlässigt werden. Das klingt erstmal nach einem riesigen Gedankensprung, aber hear me out:

Auch in der Wissenschaft ist der Blick sehr eng auf die „Helden“ der Geschichte gerichtet; die Personen, die mit ihrer Fürsorge den Erfolg erst möglich gemacht haben, bleiben außerhalb des Sichtfeldes. Ich habe mit meiner Familie einige Zeit in der Carl-Friedrich-Gaußstraße in Bremen gewohnt. Um diese Straße herum sind etliche weitere Straßen, die an berühmte Wissenschaftler erinnern: Max Planck, Robert Bunsen, Wilhelm Röntgen, Ohm, Edison, Volta. Unter all den männlichen Wissenschaftlern ist nur eine Frau. Und auch die Frauen, die die wissenschaftlichen Fortschritte all dieser klugen Männer ermöglichten, oder zumindest mit ihrer Fürsorge unterstützten, werden nirgendwo genannt. Gauß beispielsweise wurde zeit seines Lebens umsorgt: Von seiner Mutter, von seinen Ehefrauen und nach deren Tod von seiner Tochter Therese, die mit 15 Jahren seinen Haushalt übernahm und ihn versorgte, bis er 24 Jahre später verstarb. Sie heiratete selbst erst nach seinem Tod. Gauß hatte fünf Kinder.

Verehrte Wissenschaftler
Verehrte Wissenschaftler

Auch Max Planck war zweimal verheiratet und hatte insgesamt fünf Kinder. Sein Lebensstil war "ganz auf seine wissenschaftliche Tätigkeit ausgerichtet" und seine "Arbeit und Privatleben [waren] kaum zu trennen" (Der Privatmensch Max Planck). Planck war ein leidenschaftlicher Wanderer; an Wochenenden brach er ins Umland auf und im Urlaub "erwandert er große Teile der Alpen" (ebd.). Klingt nicht so, als hätte er sich um viel selbst kümmern müssen, nicht um sich selbst, nicht um seine Kinder, wie bequem. Albert Einsteins erster Sohn wurde im Mai 1904 geboren. In 1905 promovierte Einstein und er veröffentlichte mehrere bahnbrechende Aufsätze, das Jahr wird als sein "Wunderjahr" beschrieben. Wurde das schon einmal zusammen betrachtet?


Das Autonomiekonzept des homo academicus ist sicherlich unter anderem auf diese Herrschaften zurückzuführen, die sich von den Entwicklungen in ihrem Privatleben nicht aus der Bahn werfen ließen. Die Frauen, die all die Sorgearbeit im Leben dieser Männer schulterten, stehen leider im toten Winkel der Geschichtsbetrachtung und bekommen nichts von dem Ruhm ab.


Vielleicht schreibe ich irgendwann ein Buch über diese Frauen. Was könnte eine geeignete Fragestellung sein?


Propaganda-Trend auf Instagram

Auf Instagram haben viele Nutzer im Mai ein Reel zu "Propaganda I don't fall for" erstellt und so Mythen und Glaubenssätze in unterschiedlichen Bereichen kritisiert. Das hat mich dazu angeregt, darüber nachzudenken was mich im Wissenschaftsbereich wirklich stört.


Die Wissenschaft ist ein System, dass sich durch Hierarchien und Exklusivität selbst erhält. Im Studium wird durch Noten und später, auf dem Niveau von Promotionen und Postdoc-Projekten, ein krasser Druck durch die Auslese der „Besten“ aufgebaut. Dabei ist vor allem in den Geisteswissenschaften Aussteigen eigentlich nicht vorgesehen. Wer in den Geisteswissenschaften promoviert, so wird es vermittelt, soll dafür brennen und sich und sein Leben ganz der Wissenschaft hingeben. Wenn du aussteigst, bist du wohl doch nicht gut genug. Promovieren und danach in die freie Wirtschaft wollen? Das findet eigentlich nicht statt. Eigentlich soll man sich nach der Promotion um ein Postdoc-Projekt bemühen, um dann irgendwann eine Professur anzustreben. Denn man hat ja gerade so viel Expertise aufgebaut, das soll „der Wissenschaft“ doch erhalten bleiben.


Hm. Und was ist mit der Rechnung, die nicht aufgeht, nämlich dass es gar nicht so viele Professuren gibt? Was, wenn ich mich gar nicht alle paar Jahre wer-weiß-wo auf eine zufällig freigewordene Stelle bewerben möchte? Was, wenn ich gar keine Lust auf Lehre habe?


Ich bewundere meine Freundinnen, die sich durch die „frühe Karrierephase“ in der Wissenschaft kämpfen, (viele) Rückschläge und Hängepartien der Unsicherheit hinnehmen und weitermachen. Aber ich finde es wichtig, auch mal darauf hinzuweisen, dass es bei dieser Auslese der „Besten“ letztendlich auch nur um Jobs geht - Jobs, die einerseits total gehyped werden und andererseits auch nicht immer fair besetzt werden.


Was im Mai 2025 sonst noch los war

  • Meine Schwester hat geheiratet. Mit viereinhalb Jahren hat meine Tochter das erste Mal eine Tanzfläche für sich eingenommen, und ich weiß jetzt schon, wer in 2037 nicht mehr zu halten ist.

  • Ich war jede freie Minute im Garten zu finden. Unser Garten ist ca. 500 m2 groß und wurde uns mehr oder weniger als Brachland übergeben. Manche Ecken sind schön grün, rundherum am Zaun müssen wir neu bepflanzen. Es ist richtig viel Arbeit, die richtig viel Spaß macht. Und der Mai ist ja auch die Zeit, in der Gemüse rausgepflanzt wird - Tomaten, Gurken, Zucchini, Kohlrabi, Bohnen. Wir werden sehen was wird :)


Monatsrückblick Mai: Leseliste

Schreiben mit, ohne oder trotz textgenerierender Technologien? Impulse aus schreibdidaktischer Perspektive von Nadine Lordick (2024) - Lordick argumentiert aus der Perspektive des Schreiben Lehrens und überlegt, wie textgenerierende Technologien sinnvoll und zielorientiert eingesetzt werden können in Schreibaufgaben. Sie erinnert daran, dass Schreiben auch ein Denk- und Lerninstrument ist und Schreibende ihr Schreiben kontinuierlich weiterentwickeln. Dies ist mit dem Studium längst nicht abgeschlossen. KI in Form von textgenerierenden Technologien rücken lang existierende Herausforderungen wieder verstärkt in den Blick: wie können Täuschungsversuche vermieden werden, wie können wissenschaftliche Arbeitstechniken wie das Lesen und Schreiben gut vermittelt werden und wie kann die gut und sicher geprüft werden?


Writing Well - William Zinser (2016, erstveröffentlicht 1976):

Dieses Buch wurde 1976 das erste Mal verlegt, und ich fragte mich selbst, wie sehr dieses Buch noch gültig ist. Damals war ich noch nicht mal geboren. Aber die Regeln von damals sind immer noch die gleichen - teils sogar verschärft!

Auf Seite 8 schreibt Zinsser:


The reader is someone with an attention span of about 30 seconds - a person assailed by many forces competing for attention.

Hat recht, würde ich sagen. In 2025 wahrscheinlich sogar deutlich weniger als 30 Sekunden.

Writers must constantly ask: What am I trying to say? Surprisingly often they don't know. Then they must look at what they have written and ask: Have I said it?

Well said. Diese Passage war in frühen Versionen des Buches in der 3. Person Singular (the writer/he) formuliert, aber Zinsser merkt an, dass diese „sexist pronouns" in den späteren Auflagen des Buches eliminiert wurden. Wie schön!

Neue Bücher: On Writing und On Writing Well
Neue Bücher: On Writing und On Writing Well

On Writing - Stephen King (2000)

Gekauft, die ersten Seiten gelesen, interessante Einblicke in sein Leben - wobei ich noch nicht bis zum Thema Schreiben vorgedrungen bin.


Death of the Author - Nnedi Okorafor (2025)

Ich habe in meiner Doktorarbeit über African Science Fiction geschrieben, und Nnedi Okorafors Bücher sind ein wichtiger Bestandteil meines Korpus. Ich habe auch einen Artikel über ihren Roman Who Fears Death veröffentlicht. Ich finde es inspirierend, wie Okorafor über Technologien nachdenkt und Herausforderungen und Möglichkeiten literarisch erforscht. Death of the Author verweist zusätzlich noch auf einen Aufsatz von Roland Barthes und deutet diesen neu, in einem aktuellen Social-Media-Kontext.


Mein Blog-Rückblick auf Mai 2025

Es ist wieder nicht viel passiert auf meinem Blog im Mai, aber immerhin habe ich zwei Artikel geschafft.

Im März sind wir endlich umgezogen, nachdem die letzten Zimmer und die Küche in unserem Altbau fertiggestellt wurden. Der Monat war entsprechend voll, aber es ist auch in meinem Kopf viel passiert.


Ich beschäftige mich schon lange viel mit textgenerativer KI und frage mich, wann ich soweit bin, mit Selbstbewusstsein darüber sprechen und schreiben zu können. KI revolutioniert wie wir Texte schreiben, und ich finde es total wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Allerdings rate ich auch zu Vorsicht, wenn man eben nicht richtig versteht, wie KI funktioniert.


Ausblick auf Juni 2025

Im Juni begleite ich zwei Abschlussarbeiten, die im Juli abgegeben werden. In meinem Brotjob an der Hochschule gibt es mehrere wichtige Treffen; auch das hält mich auf Trab.

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